Vorwort
Dieses Buch begann ich, ohne
zu wissen, wohin es mich führen würde. Ich ging von den vorläufigen Annahmen
aus, daß der Rauschgifthandel am besten in einem Kontext von Angebot und
Nachfrage zu verstehen sein müßte, daß kriminelle Elemente aus den Suchtgewohnheiten
Vorteil zögen und davon profitierten und daß die Händler den Erzeugern mit
Kredit-, Transport und Vertriebsmitteln dabei helfen, der Nachfrage
nachzukommen. Entsprechend dieser letzten Annahme würden Händler aktiv Polizei
und Richter korrumpieren, um ihr illegales Geschäft zu erleichtern. In
korrupteren Staaten würden die Kriminellen sich Politiker kaufen, die ihnen für
beträchtliche Geldzahlungen bei ihrem Geschäft behilflich wären. Dieses
Verständnis des Rauschgifthandels sollte sich jedoch weiterentwickeln, während
das Buch voranschritt.
In meinem neuen Verständnis
fand ich, daß Regierungen und Banken tief verwickelt, abhängig vom Drogenhandel
sind, daß sie ihn erleichtern, wenn nicht gar fördern. Zwar trifft es zu, daß
Regierungen und Banken gegen Händler und Geldwäscher durchgegriffen hatten,
dennoch aber ergab sich das Bild, daß einige ein größeres Interesse daran
hatten, den Handel fortzusetzen statt ihm ein Ende zu bereiten. Dieser Befund
hatte ausschlaggebende Bedeutung für eine Reihe anderer geläufiger Annahmen in
der Literatur zur politischen Wissenschaft. Wenn Regierungen nur die Formen der
Demokratie und nicht die Substanz praktizierten, konnten dann noch ihre
Ansprüche, verantwortliche, Rechenschaft legende Regimes zu sein, Gültigkeit
haben? Wenn demokratische und autoritäre Regimes den Drogenhandel förderten,
unterhöhlte dies den Anspruch, den demokratischen Frieden zu gewährleisten?
Wenn die Zahl der Opfer des Drogenhandels jene der meisten Opfer in
konventionellen Kriege überstieg, mußte der Begriff vom Kriege nicht erweitert
oder neu gefaßt werden? Würden nicht schließlich, wenn die Diagnose des
Problems im wesentlichen unvollständig war, die Lösungen wahrscheinlich
fehlschlagen müssen? Dies sind einige der Themen, die dieses Buch erkundet.
Eine historische
Untersuchung ist nicht beabsichtigt, eher eine Analyse, in der die wirr
herumliegenden Fäden vorhandener Informationen verbunden werden. Das in diesem
Buch einbezogene Material wurde gewählt, weil es auf einen besonderen Bereich,
eine Person oder ein Ereignis zielt, die für die Analyse relevant waren. Ich
bin den vielen Gelehrten der Gegenwart und Vergangenheit verpflichtet, auf
deren ausgezeichneter Arbeit dieses Buch aufbauen konnte. Es ist meine
Hoffnung, daß die vorgelegten Tatsachen und Informationen ein besseres
Verständnis der politischen, ökonomischen und kulturellen Fragen ermöglichen,
welche die neue Welt formen. Politische Wissenschaft verwendet Geschichte als
Werkzeug, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu entwerfen. Aufgabe
dieses Buchs ist es, in der Richtung dieses Verstehens voranzuschreiten.
Das Drogenproblem ist
weltweit besorgniserregend. Drei Hauptregionen in der Welt erzeugen Opium- und
Heroinprodukte: Südostasien, Südwestasien und Lateinamerika. Die
Hauptherstellungsgebiete der Südostasien-Region – Laos, Burma und China –
stellen über 50 Prozent der Welt-Produktion - und Zufuhr mit Opium und Heroin
her. Thailand ist das wichtigste Land für die Raffinierung von Heroin und
Thailand und China sind die Hauptexporteure der Region.
Südwestasien produziert 40
Prozent des Opiums der Welt und über 40 Prozent des Weltvorrats an Heroin.
Bereiche, in denen Heroin hergestellt wird, sind Afghanistan, Pakistan und
Teile der früheren Sowjetunion wie Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan und
Kasachstan. Das meiste Heroin aus dieser Region wird in Pakistan raffiniert und
von da weitertransportiert, aber auch über Russland wird es für den Westen
raffiniert und transportiert.
Bis Mitte der 1990er Jahre
produzierte Lateinamerika etwa 3 Prozent des Opiums und einen ähnlichen Anteil
an Heroin in der Welt; in den 1980ern hatte es fast nichts davon produziert.
Dagegen ist diese Region jetzt der Hauptkokainerzeuger der Welt, wobei Peru,
Kolumbien und Bolivien die Hauptanbauer und Kolumbien die erste Stelle in der
Raffinierung und im Export einnimmt.
Während Anbau und
Herstellung von Rauschgift in diesen Regionen ein wichtiges Problem darstellen,
reicht die Tragweite des Drogenproblems hingegen viel weiter. Das Problem
greift aus auf das schmutzige Geld aus Rauschgifthandel und anderen verbotenen
Geschäften. Dieses schmutzige Geld wird in einem engmaschigen Netz von
Finanztransaktionen, die den ganzen Globus umspannen, gewaschen; sowohl
kulturell als auch politisch werden diese Transaktionen rund um die Welt
geschützt.
In vielen Ländern verbinden
sich die mit dieser Drogenkultur zusammenhängenden kriminellen, finanziellen,
wissenschaftlichen, sozialen und politischen Faktoren so eng, daß sie zu einer
Bedrohung für die demokratische Stabilität und die internationale politische
Umwelt anwachsen.
Dieses Buch analysiert, wie
tief der Rauschgifthandel und die Korruption die internationale Umwelt in der
Ära nach dem kalten Krieg bereits durchdrungen haben; daraus ergibt sich die
Untersuchung der Auswirkungen dieser Entwicklung auf Praxis und Theorie der
Demokratie und der internationalen Beziehungen. Es erforscht die Verbindungen
des Rauschgifthandels zur Politik der Staaten, zu den internationalen
Finanzbeziehungen, die Globalisierung des organisierten Verbrechens und der
Kulturkriege. Indem es auf einige Beispiele von Korruption in der neuen
Weltumgebung ein Schlaglicht wirft, verweist dieses Buch auf die Möglichkeit
eines internationalen Systems, das die Vorteile der Globalisierung ohne die
Geißel der Korruption und unverantwortlicher Führung genießen könnte.
Rauschgifthandel, Korruption des
Staates und die Krise der demokratischen Theorie
Kapitel 1
Einführung
Das Wachstum und die
Ausbreitung des Rauschgifthandels verleihen der Integrität des Nationalstaats
und der demokratischen Republik in der Weltpolitik nach dem kalten Krieg ein
besonderes Gewicht, auch wenn die Globalisierung der Marktwirtschaft manch
einen dazu gebracht hat zu glauben, daß die Probleme der neuen Weltordnung entweder
zu groß für den Nationalstaat seien und deshalb supranationale Institutionen
erfordern würden oder zu gering seien und daher Betätigungsfeld von
Organisationen unterhalb der Staatsebene oder nichtstaatlichen Organisationen
(NGOs) sein müßten.[1]
Supranationalisten können
entweder Globalisten oder Regionalisten sein. Die Globalisten erstreben eine
allgemeine Regeln stiftende Organisation, das Verschwinden der
Staatssouveränität und die globale Regulierung der Wirtschaft. Die
Regionalisten, andererseits, am typischsten vertreten von europäischen
Integrationisten, erstreben auf der Grundlage des Maastricht-Vertrages eine
Zentralbank, die eine Geldpolitik setzen würde, für die sie kein europäisches
Parlament zur Rechenschaft ziehen könnte.
Befürworter eines Netzes von
nichtstaatlichen Organisationen sehen in Computern und Telekommunikation die
Informationssysteme, die es NGOs ermöglichen würden, Dienstleistungen zu
liefern, mit denen Regierungen nicht mithalten können. NGOs wird zum Beispiel
ein Verdienst zugeschrieben, die Vereinigten Staaten und Mexiko dazu gezwungen
zu haben, grenzüberschreitende Verschmutzungsprobleme, Gesundheits- und
Sicherheitsvorkehrungen sowie einige andere Angelegenheiten zu berücksichtigen,
die zu Anfang nicht auf die Tagesordnung der nordamerikanischen
Freihandelsvereinbarung (NAFTA) gesetzt worden waren.
Die Behauptung, daß der
Rauschgifthandel die Befassung mit der Wichtigkeit des Nationalstaats und der
demokratischen Republik neu belebt, schmälert nicht das beträchtliche Wachstum
supranationaler Institutionen oder nichtstaatlicher Organisationen. Aber es
hebt die Tatsache hervor, daß Staaten, die von verantwortlichen und
rechenschaftspflichtigen Regierungen regiert werden, ihre Macht zur
Unterdrückung übernationaler verbrecherischer Unternehmen an supranationale
oder nichtstaatliche Agenturen weder abtreten können noch dürfen. Wenn die
demokratischen Staaten in diesem Kampf scheitern sollten, dann wären Staaten,
supranationale Institutionen und NGOs allesamt Teile einer kriminellen
internationalen Welt. Das Ausmaß, in dem der Globalisierungsprozeß, gekoppelt
mit dem Rauschgifthandel, eine Korrumpierung des Staates antreibt - ein Prozeß,
den wir hier die Narkotisierung des Staates (Zugespitzte Übertragung des
vom Autor verwendeten Begriffs narcostatization; Anm. d. Übers.) nennen
- unterstreicht die Wichtigkeit der Erhaltung gesunder Nationalstaaten und
demokratischer Republiken.
Das Ausmaß der Geldflüsse,
die außerhalb der Kontrolle der einzelnen Staaten geschöpft werden, ist enorm.
Mit diesen Geldbeträgen lassen sich Abwertungen erzwingen und riesige Gewinne
durch Wetten gegen nationale Währungen erzielen. Dieses globale Kapital sollte
nicht einfach als reichtumsbildendes Phänomen betrachtet werden, sondern als
Macht für sich, eine Macht, die Währungen abwerten kann, Regierungen und
Unternehmen disziplinieren und nicht zuletzt ihre Profite dem Zugriff des
Fiskus entziehen kann. Die prominentesten Beispiele sind die sieben von George
Soros gegründeten Fonds. In Ungarn geboren, wurde Soros in den 1950ern
amerikanischer Staatsbürger. Gestützt von großen europäische Vermögen, operiert
er global außerhalb des Regulierungssystems der USA. Alle Fonds von Soros haben
ihren Sitz offshore – das heißt, außerhalb der Kontrolle der Bundesregierung –
und unter den Großanlegern finden sich keine US-Bürger. Soros selbst ist der
Prototyp eines transnationalen Kapitalisten. Seine spekulativen Unternehmungen
haben einen gewaltigen Betrag unkontrollierten Weltgeldes geschaffen, das auf
einen Tastendruck am Computer hin in und aus Volkswirtschaften strömt.[2] Sein Quota-Fonds schließt
riesige Wetten auf globale Währungen, Anleihen, Wertpapiere und
Warentermintrends ab.[3] Der berühmteste Fonds von
Soros, der Quantum-Fonds N.V. hat 1992 mehr als 1 Mrd. Pfund Profit durch
Spekulation gegen europäische und asiatische Währungen erzielt.
Transnationale oder
»overworld«-Eliten wie George Soros verdienen nicht nur riesige Summen bei
ihren spekulativen Wetten, sie überweisen auch weltweit Geld für
Liebhaberprojekte, deren Umfang manchmal sogar die Auslandshilfe der
US-Regierung übersteigt. Zum Beispiel kündigte die Soros Stiftung im Oktober
1997 zusätzlich zu ihrer Arbeit in Osteuropa Vorhaben an, zwischen US$ 350
Millionen und 500 Millionen für Moskau für die Gesundheitsfürsorge von Müttern
und Kindern sowie für militärische Reformen der Regierung zur Verfügung zu
stellen. Zum Vergleich gab die Regierung der Vereinigten Staaten Rußland US$ 95
Millionen im ganzen Jahr 1996. 1998 gab Soros allerdings Hintergedanken in Bezug
auf seine Aktivitäten in Rußland zu.[4]
Einer der interessantesten
Aspekte dieses Geldes der overworld ist die Unterstützung von »Alternativen«
zum Krieg gegen die Drogen, wie sie euphemistisch genannt werden.
Transnationale kapitalistische Interessen können sowohl lokal als auch global
operieren, um den Widerstand der Staaten gegen den Rauschgifthandel zu
schwächen. Weil die supranationalen Organisationen und die NGOs zu schwach
sind, um mit dem Rauschgiftproblem fertig zu werden, sind der Staat und seine
nicht korrumpierten Institutionen die Hauptmittel für die Bekämpfung des
Handels. Der neue Internationalismus fordert vom Staat, Beziehungen mit
Institutionen anderer Staaten zu knüpfen, die zur Kontrolle des Drogenhandels
entschlossen sind. Deshalb kann die Korrumpierung eines Staates selbst – und
die seiner Strafverfolgungsorgane und seiner Justiz – auch über seine Grenzen hinaus zum ernsten Problem werden,
während innerhalb seiner Grenzen die Korruption die Verantwortlichkeit der
demokratischen Republik unterhöhlt.
Korruption
Korruption kann auf jeder
Regierungsebene und in allen Bereichen der Gesellschaft, das Finanzgewerbe
eingeschlossen, auftreten. Die Idee der Demokratie, wohl das entscheidende
Kennzeichen unserer Kultur, ist unter Belagerung geraten. Bislang haben die
Experten erwartet, daß die Demokratie in der neuen globalen Umgebung aufblüht.
Dagegen zeigen aber neuere Forschungen, daß die ökonomische Globalisierung,
während sie in mancherlei Hinsicht die Demokratisierung befördert, ebensosehr aber
auch die Konsolidierung verantwortlicher Regierung in vielen Ländern behindert.
In der Tat verbinden sich kriminelle, finanzielle, wissenschaftliche, soziale
und politische Faktoren zu einer Bedrohung der internationalen politischen
Umwelt.
Unter Korruption wird im
allgemeinen eine verschwiegene, aber illegitime Verwendung von Geld durch
Beamte oder private Bürger zu illegalem Gewinn verstanden. Traditionell wird
angenommen, daß Korruption eine vereinzelte Veranstaltung ohne weitergreifende
Wirkung auf das politische System ist, selbst dann wenn sie bei der Polizei
oder anderen Zweigen der Bürokratie einer Regierung chronisch verbreitet ist.[5]
Einige politische
Wissenschaftler behaupten, daß Korruption ein Strukturphänomen im politischen
System darstellt.[6] In deren Sicht ist das
korrupte politische System mächtiger als die Bürgergesellschaft und Erpressung
und Bestechung werden zur gewöhnlichen Praxis. Erpressung durch Amtsmißbrauch
findet statt, wenn öffentliche Bedienstete Schmiergeldzahlungen oder andere
Vorteilsnahmen für Dienstleistungen, Nutzen oder Genehmigungen herausschlagen,
welche die Regierung normalerweise frei oder für eine minimale Gebühr anbietet.
Korruption nimmt innerhalb des politischen Systems auch die Form der Bestechung
an, wo sich starke Kräfte aus der Bürgergesellschaft Gefälligkeiten von einem
schwächeren Staat erkaufen.[7]
Erpressung und Bestechung
können Merkmale sowohl einer korrupte Bürgergesellschaft als auch eines
korrupten Staates darstellen. Die gegenwärtigen Bedingungen in einigen Ländern
zeigen einen Zusammenschluß zwischen einem korrupten politischen System und
kriminellen Elementen der Bürgergesellschaft.[8] Mitglieder der regierenden
Elite sowohl in autoritären als auch durch Wahlen zustandegekommenen
Regierungen finden die Verschränkung von organisiertem Verbrechen mit dem Staat
nützlich, wenn nicht sogar für die Erhaltung ihrer Macht notwendig. Es kann
sein, daß Regimes mit einer Tradition von Elitenherrschaft sogar da, wo ein
Wahlprozeß besteht, die Versuchung besonders unwiderstehlich finden, mit dem
organisiertem Verbrechen zu arbeiten. Wenn dann Regierung und organisiertes
Verbrechen miteinander im Bunde sind, hat sich die strukturelle Korruption
ihren Platz erobert.
Natürlich sind die
herrschenden Eliten nicht immer korrupt; sie gebrauchen die Machtmittel der
Regierung in der Tat oft, um die Korruption zu zügeln, soweit es in ihrem
Interesse liegt. In einem solchen Fall kehren kriminelle Mafias ihre Macht
innerhalb der Gesellschaft gegen rechtschaffene Regierungsbeamte. Manchmal
kommen kriminelle Mafias in den Genuß der Kooperation solcher
Regierungsbeamter, die um Einfluß innerhalb der herrschenden Klasse rangeln.
Beamte in einer solchen Regierung manipulieren letztlich den Rauschgifthandel
als lukrativste kriminelle Aktivität. Nach dem Bericht eines maßgeblichen
Helfers des Anführers des Kartells im mexikanischen Golf, Oscar Lopez Olivarez,
wird »der Rauschgifthandel vollständig von der Regierung verwaltet, denn von
der Absicherung der Marihuanaplantagen ... wird alles vollständig kontrolliert,
zuerst von der Armee, dann von der bundesrichterlichen Polizei, die Abteilung
des Generalstaatsanwalts zur Vernichtung von Ernten eingeschlossen, welche die
Ernten auf den Farmen sogar inspiziert, die in den Rahmen des genehmigten Systems
einbezogen sind«.[9]
Ein dynamisches
Strukturmodell, worin das Ineinanderübergehen von Regierung und organisiertem Verbrechen verdeutlicht wird, müßte
den Schluß nahelegen, daß die politischen Systeme bestimmter Länder sich zum
Teil in einem Bürgerkrieg befinden. Während Elemente innerhalb der Regierung
versuchen, den Rauschgifthandel unter Kontrolle zu bringen, bilden andere
Elemente der Regierung mit den Händlern ein Bündnis. Die komplexe Beziehung
zwischen Eliten und Händlern können sowohl einen demokratischen wie einen
autoritären Staat korrumpieren. Die Narkotisierung des Staates nimmt auf
politische Systeme keine Rücksicht.
Seit dem Ende des kalten
Kriegs sind radikale ethnische Nationalismen und größere kulturelle
Zusammenstöße als die wahrscheinlichsten Konfliktausprägungen in der neuen
internationalen Umwelt dargestellt worden.[10] Obwohl diese Zusammenstöße
gewiß Aufmerksamkeit fordern, sollten Konflikte zwischen und innerhalb von
Staaten im Kontext massiven kriminellen und illegalen Verhaltens von
Regierungen wenigstens die gleiche Besorgnis beanspruchen. Die zunehmend rasche
Ausbreitung des globalen Kapitalismus bietet früher regional begrenzten
Unterweltnetzen erweiterte Gelegenheiten für globale Betätigung. Wenn die
Ausbreitung des internationalen Verbrechens sich mit korrupten Elementen der
Regierung verbindet, nehmen die Möglichkeiten von internen und internationalen
Konflikt in beträchtlichem Umfang zu.
Die Ära nach dem kalten Krieg
Für einige Theoretiker
bedeutete das Ende des kalten Kriegs den Triumph der liberalen Demokratie und
des Kapitalismus und einen andauernden, allgemein positiven Trend der
menschlichen Entwicklung. Diese Theorie ist als die »vom Ende der Geschichte«
geläufig geworden.[11] Entsprechend dieser Theorie
führen die im Grunde positiven Tendenzen einer kooperativen internationalen
Ordnung zu Bedingungen, in denen Ökonomien allmählich zusammenwachsen und
nicht-demokratische Staaten schrittweise sich durch eine Kombination von
internem Druck und Überzeugung von außen zu aufgeklärteren Regierungen
entwickeln. Die Folgen dieser Entwicklung sind ganz natürlich die Entkräftung
nationalistischer Tagesordnungen wie der Unabhängigkeit von Staaten.[12] Zugleich erweitert sich der
internationale Freihandel unter der Welthandelsorganisation (WTO), regionale
Währungen wie Weltwährungen steigen im Wert, und schließlich ergibt sich daraus
eine verallgemeinerte Weltkooperation.
Der Prozeß wachsender
ökonomischer Kooperation und die Ausbreitung demokratischer Regierungen unter
der Führung und dem Anstoß durch die Vereinigten Staaten ist bekannt als
»neoliberalism«. Er wird als eine im Grunde genommen gutartige Entwicklung
angesehen. Als dunkle Elemente in diesem rosigen Szenario für die Zeit nach dem
kalten Krieg haben sich jedoch das Wachstum des Rauschgifthandels, das
Ausbreiten des organisierten Verbrechens und die Korruption von Regierungen
herausgestellt.
Die drei Hauptentwicklungen
der neoliberalen Ordnung, welche die zwischenstaatliche institutionelle
Kooperation der Demokratien nach Ende des kalten Krieges bedrohen, sind (1) die
Globalisierung des Finanzsystems, (2) die wachsende Abhängigkeit der Staaten
von Drogenprofiten zur Bedienung ihrer Schulden[13] und (3) die zunehmende
Abhängigkeit von suchterzeugenden Drogen in der Weltbevölkerung. Bedrohungen
demokratischer Regimes werden verstärkt durch die Globalisierung der Teile des
Finanzsystems, die vom organisierten Verbrechen korrumpiert sind.
Haupttriebwerk des organisierten Verbrechens ist der Rauschgifthandel, der den
Staaten Liquidität verschafft und Gewinne für die transnationalen
Finanzinstitutionen erbringt. Die gegenwärtige Zunahme des Rauschgifthandels,
des Verbrauchs von Drogen und der weitverbreiteten Auswirkungen des
Rauschgifthandels wie der Narkotisierung des Staates unterhöhlen den inneren
Frieden, belasten die internationalen Beziehungen, schwächen den demokratischen
Staat und stellen eine ernsthafte Gefährdung des zerbrechlichen Übergangs zu
Demokratie dar.
David Held hilft uns zu
verstehen, daß das globalisierte neoliberale System, viel eher als ein
einfaches Konzept von Nachfrage/Angebot, Produktion/Konsumtion, erklären kann,
was innerhalb der politischen Gesellschaften geschieht. Der Grad, zu dem
Staaten außerstande sind, ihre eigene ökonomische Entscheidungsfindung zu kontrollieren,
verändert das Wesen demokratischer Verantwortlichkeit. Held stellt uns vor die
Notwendigkeit, die Probleme des demokratischen Staats im Zusammenhang der
Weltwirtschaft zu verstehen.
Die
grundlegenden Voraussetzungen demokratischer Theorie, sowohl in ihrer liberalen
als auch in ihrer radikalen Verkleidung sind ... gewesen, daß Demokratien als
im Grunde genommen in sich abgeschlossene Einheiten behandelt werden können;
daß Demokratien eindeutig voneinander abgegrenzt sind; daß Wandel in Demokratien
zum großen Teil verstanden werden kann mit Bezug auf die interne Strukturen und
Dynamik nationaler demokratischer Politien; und daß demokratische Politik
selbst letztlich ein Ausdruck des Zusammenspiels von Kräften ist, die sich im
Rahmen von Nationalstaaten betätigen ... (doch) die globale Verbundenheit
politischer Entscheidungen und Ergebnisse werfen Fragen auf, welche ans Herz
der Kategorien klassischer demokratischer Theorie und ihrer zeitgenössischen
Varianten rühren.[14]
Rivalität innerhalb des
internationalen Systems bringt den Begleiteffekt mit sich, daß Staaten dem
Rauschgifthandel nachgeben, um sich selbst zu verteidigen und um wirtschaftlich
mit anderen Staaten zu konkurrieren. Sogar da wo ein wirkliches Interesse an
Zusammenarbeit besteht – oder bestehen sollte – kann der Rauschgifthandel den
Staaten durch das externe System aufgezwungen werden. Es kann vorkommen, daß
interne Erwägungen dem internationalen Systemdruck der Konkurrenz untergeordnet
werden. Die strukturellen Begleiterscheinungen des neoliberalen Systems nötigen
dem Staat das Interesse auf, diese Struktur für ihren ökonomischen Nutzen
auszubeuten.
Rauschgifthandel und Neoliberalismus
Das Problem des
Rauschgifthandels verbindet Regierungen in zweierlei Weise mit dem
internationalen System. In der ersten Variante setzen Großmächte Rauschgifte
für ökonomische und strategische Zwecke ein. Das klassische historische
Beispiel hierfür findet sich im neunzehnten Jahrhundert mit den Opiumkriegen
zwischen dem Briten und den Chinesen. In der zweiten Variante verwenden
kleinere Mächte den Drogenhandel zu defensiven Zwecken - um zum Beispiel ihre
ökonomische Verwundbarkeit zu verringern. Auf beiderlei Weise können Staaten
durch den Rauschgifthandel korrumpiert werden.
Der erste Prozeß ist
gekennzeichnet durch die Verwendung von Rauschgiften und dem Handel damit durch
Großmächte zur Unterwerfung oder Kontrolle kleinerer Staaten. Zu Anfang wurde
nicht gesehen, daß dieser Prozeß eine korrumpierende Wirkung auf das politische
System des größeren Staats haben könnte. Ziemlich offenkundig ist, daß wenn
kleinere Staaten, eher im verborgenen denn offen, in den Rauschgifthandel
verwickelt werden, Korruption in ihnen alsbald eine gegebene Tatsache wird.
Doch auch in den entwickelteren und größeren Staaten wird Korruption ebenso
zunehmend feststellbar. Dies hat zu einer wachsenden globalen Sorge über die
Narkotisierung des Staates (»narcostatization«) geführt - die Korrumpierung des
politischen Regimes als Folge des In-Verkehr-Bringens von Rauschgift.
Drei miteinander verbundene
Phänomene wirken hier synergetisch zusammen, um den Narkostaat hervorzubringen:
organisiertes Verbrechen, Regierungspolitik und transnationaler Kapitalismus.
Der Narkostaat kann sich in bestehenden demokratischen Regimen, in autoritären
Regimen oder in solchen Regimen entwickeln, die sich im Wandel zur Demokratie
hin oder von ihr weg befinden. Die Narkotisierung des Staates unterhöhlt
schwache Demokratien und verformt gefestigte and im Übergang befindliche
demokratische Regime in Pseudodemokratien oder Anokratien (Anomien). Im
anokratischen (anomischen) Prozeß werden sowohl fundierte als auch im Übergang
befindliche Demokratien faktisch korrumpiert, und die politische oder
herrschende Klasse erhält sich im Besitz der Macht trotz scheinbar im Wettbewerb
ausgetragener Wahlen und voller öffentlicher Teilnahme.
Der Ausdruck »Anokratie«
wird manchmal verwendet, um ein System zu beschreiben, wo Macht nicht mehr in
den Händen öffentlicher Instanzen konzentriert ist. Die Bezeichnung wird jedoch
in diesem Buch mit Blick auf Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht von
Regimen verwendet, um ein Regime zu bezeichnen, in welchem demokratische und
autokratische Merkmale vermischt vorkommen. Es werden zwar Formen der
Demokratie vorgefunden, aber die Realitäten der Konzentration von Macht in der
Exekutive haben die Oberhand über die institutionellen und durch Wahl
ausgeübten Beschränkungen der Macht des obersten Inhabers der Exekutivmacht.
Der Narkostaat ist eine besondere Form von Anokratie. Nicht alle Anokratien
sind Narkostaaten, aber die Narkotisierung des Staates bringt eine Form von
Anokratie hervor. Einige der Triebkräfte hin zum Narkostaat beeinträchtigen
bestehende Demokratien und bringen Narkodemokratien hervor; einige treffen auf
Autokratien und bringen narkoautoritäre Regimes hervor; manche treffen auf
Übergangsprozesse und produzieren Narkoanokratien. Für die Öffentlichkeit ist
kaum ein wesentlicher Unterschied zwischen Narkoanokratien und Narkodemokratien
erkennbar, außer daß die Letzteren Rückbildungen von Demokratien und die
Ersteren unvollständige demokratische Übergänge sind.
Von der Herausbildenden der
neoliberalen Weltordnung wurde erwartet, daß sich Kooperation verbreiten würde
und die Ökonomien wie etwa in der europäischen Union miteinander verflochten
würden. Als Folge dieser Entwicklung war die Schwächung der Politik der
einzelnen Staaten und ihrer Unabhängigkeit abzusehen.[15] Doch schließen die eher
unerwarteten Probleme in dieser neuen Weltordnung eine Zunahme der
Regierungskorruption ein sowie die Globalisierung des organisierten Verbrechens
und der internationalen Geldwäsche. Die Auswirkungen dieses Prozesses werden im
Verlust an Steuerungsmöglichkeiten der inländischen Ökonomie, einer Abnahme
politischer Verantwortlichkeit und Problemen im sozialen Verhalten sichtbar.
Eine andere mögliche Folge der Globalisierung der Weltwirtschaft ist zunehmende
Unzufriedenheit der Arbeiter. Tatsächlich zielt die meiste Kritik an der
neoliberalen Ordnung darauf, daß sie die Interessen der arbeitenden Bevölkerung
bedroht. Denn in Wirklichkeit hat das Wachstum der Arbeitslosigkeit in Europa
in den späten 1990ern den Fortgang zu einer einzigen Währungseinheit
unterminiert.
In den ökonomischen
Rahmenregelungen nach dem Zweiten Weltkrieg gewährte das internationale System,
festgehalten in den Vereinbarungen von Bretton Woods, den Schutz des
Sozialstaates und der organisierten Arbeiterschaft vor dem Druck der
Kapitalmärkte, die ansonsten die protektionistische Politik der Staaten
zerstört hätten. Dieses System gilt als »embedded liberalism« (eine
»amerikanische« Begriffsprägung, die der »sozialen Marktwirtschaft« nahekommt.
Anm. d. Üb.) genannt worden.[16] Die Grundannahme war, daß
die Staaten ihre Gesellschaften vor den Kosten der globalen Marktschwankungen
durch die Wahrung einer Autonomie in der inländischen Wirtschaftspolitik
schützen und eine allmähliche Handelsliberalisierung durchführen würden.
Der Zusammenbruch des
Systems von Bretton Woods in den 1970ern ebnete den Weg für die neoliberale
Ordnung. Kapitalflüsse wurden aus staatlicher Kontrolle entlassen, und die
internationale Kooperation zwischen den Zentralbanken wurde der Schlüssel zu
internationaler finanzieller Stabilität. Die Zentralbankiers der Gruppe der
Zehn (G -10)[17] schufen 1974 nach dem
Bankrott der Franklin National Bank den Ständigen Ausschuß für Regulierung und
Aufsicht des Bankwesens (das Basel-Komitee), um Informationen über
Bankenaufsicht und Regulierungsbestimmungen auszutauschen. Das Baseler Komitee
legte den Grundsatz fest, daß international tätige Banken ihre Geschäfte nicht
ohne Überwachung betreiben sollten.[18] Nichtsdestoweniger bleibt
eine Regulierung unter dem neoliberalen System schwierig. Sie ist gegen
Angriffe verwundbar einmal wegen des Rauschgifthandels und zum andern wegen der
Unzufriedenheit der Arbeiterklasse. Und wo das Wachstum unregulierten Handels-
und Kapitalverkehrs den Rauschgifthandel erleichtert, ist der Prozeß der
Demokratisierung selbst gefährdet.
Auf einem bestimmten Niveau
der Korruption kann die demokratische Form die Wirklichkeit unredlicher Leitung
der Staatsangelegenheiten durch die Elite verschleiern. Solche Narkostaaten
oder anokratische Staaten sind eine Gefahr für ihre Nachbarn und für Konflikte
innerhalb der Regierung verwundbar, sind anfällig für Bürgerkrieg und Aufstand.
Innere und internationale Konflikte auf niedrigerem Niveau werden unter
anokratischen Staaten endemisch, da diese Staaten der Definition nach
unverantwortlicher und widersprüchlicher Politik unterworfen sind, weil sie dem
Druck von unten und von jenseits ihrer Grenzen ausgesetzt sind.
Der ökonomische Übergang der
Länder mit Staatswirtschaft zum Kapitalismus demonstriert die Fortdauer von
Korruption. Die Euphorie in den Vereinigten Staaten über den vermeintlichen
Wechsel vieler Regierungen vom Autoritarismus zur Demokratie seit den 1980ern
ist kurzlebig geblieben. Obwohl Mexikos Wahlsystem internationalen Standards
entspricht, ist sein Übergang von Autoritarismus zur Demokratie mehr Schein als
Wirklichkeit. Im Winter 1995 bestritten die Vereinigten Staaten den Löwenanteil
einer Multibillionen Dollar teuren Rettungsaktion für die mexikanische
Regierung nach dem finanziellen Zusammenbruch der mexikanischen Ökonomie. Trotz
vieler Krisen und politischer Morde wird immer noch angenommen, daß sich Mexiko
im Übergang zur Demokratie befinde. Seine Verwundbarkeit gegenüber
Kapitalabflüssen hat das Land gleichwohl im neoliberalen System von Einkünften
aus dem Drogenhandel abhängig werden lassen. Korrupte Kräfte in der Regierung
und kriminelle Kartelle ziehen immer weiter Vorteile aus der Anfälligkeit und
Abhängigkeit des Landes und weiten die Kriminalisierung des Staates aus.
Unverdrossen betont der neue
Internationalismus die Notwendigkeit, den Staat als durch eine Vielzahl von
Institutionen zusammengesetzt zu sehen statt als eine einzige Einheit. Folglich
können Teile des Staates korrumpiert werden, während andere, dieselbe
Institution eingeschlossen, gesund bleiben. Ein solches Verständnis der
Beziehungen zwischen Staaten gehört nicht zu den Standardinterpretationen
darüber, wie sich Staaten verhalten und sich das internationale System auf den
Staat auswirkt.
Die strukturelle und die intentionale
Perspektive
Moderne politische Theorie
erklärt sowohl soziale als auch internationale politische Entwicklungen als
systemisch, entweder strukturell oder intentional. Mit systemischen Erklärungen
versuchen politische Theoretiker, über die Ansichten von Teilnehmern eines
besonderen historischen Prozesses hinauszugelangen. Sie betonen, daß die
Ergebnisse internationaler Vorgänge von der strukturellen Analyse der Wirkungen
der Weltrahmenbedingungen und der auf die Mitgliedsstaaten wirkenden Umstände
abhängen. Befürworter dieser Perspektive vertreten die Auffassung, daß die
kennzeichnenden Merkmale internationaler Anarchie und der Globalisierung des
Kapitalismus die Korrumpierung von Staaten verursachen. Eine strukturalistische
Interpretation der Narkotisierung von Staaten würde nahelegen, daß die Logik
des Systems nach dem kalten Krieg aus sich heraus einen Staat zu einer
Verwicklung in den Rauschgifthandel zwingt.
Die politische Perspektive
von Theda Skocpol, verbunden mit der Perspektive zu den internationalen
Beziehungen von Kenneth Waltz, gibt eine Erklärung für die Wirkung des
Rauschgifthandels auf das internationale System. Skocpol behauptet, daß wir die
Muster der historischen Umstände nur verstehen können, »indem wir gleichzeitig
die miteinander verwobenen Lagen von Gruppen innerhalb bestimmter
gesellschaftlicher institutioneller Verknüpfungen einerseits und die
Wechselbeziehungen von Gesellschaften im Rahmen dynamischer internationaler
Felder in den Blick nehmen.«[19] Waltz erklärt uns, daß die
Struktur des internationalen Systems mit seinen Bestandteilen das Verhalten der
Staaten bedingt. Die Struktur ist bestimmend dafür, auf welche Weise der
Spieler agiert, dessen Wohlstand mit einiger Wahrscheinlichkeit in einer
gegebenen Situation gemehrt wird. Für Waltz ist klar, daß wenn die Struktur die
Notwendigkeit für alle Einheiten bedingt, sich selbst zu helfen, alle Einheiten
gezwungen sind, sich entsprechend denselben Standards zu verhalten: »Die
Einheiten eines anarchischen Systems sind funktionell undifferenziert. Die
Einheiten einer solchen Ordnung werden dann in erster Linie danach
unterschieden, über welche größeren oder geringereren Fähigkeiten sie verfügen,
ähnliche Aufgaben zu erfüllen.«[20] Die Folgerung aus dieser
strukturellen Theorie geht dahin, daß, wenn Rauschgifthandel die relative Macht
eines Staats vergrößert, andere Staaten gezwungen werden, am Handel mit Drogen
teilzunehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die Alternative zu einer
strukturellen Interpretation ist die einer Agentur, eine intentionale. Die
intentionale Interpretation sieht einen Handlungsträger, der rational aus einer
Reihe von Möglichkeiten auswählt. Rationalität verlangt vom Handelnden, daß er
einen Aktionsverlauf wählt, der zur Erreichung seiner Ziele am besten geeignet
ist. Diese Erklärung einer »rationalen Wahl« verbindet die Absichten der
Akteure mit dem Ergebnis. Viele Theoretiker der rationalen Wahl verwenden zur
Demonstration das »Dilemma des Gefangenen«, um zu zeigen, daß jeder der beiden
Handelnden, wenn er seine individuellen Interessen verfolgt, schlechter dabei
fährt, als wenn er oder sie zusammen gehandelt hätten, um ein gemeinsames Ziel
zu erreichen.[21] Sowohl intentionale als
auch strukturelle Erklärungen könnten zu dem Schluß führen, daß der Prozeß der
Narkotisierung des Staates an seiner Ausbreitung in der gegenwärtigen
internationalen Umwelt nicht gehindert werden kann. Wenn jedoch der Staat aus
einer Vielzahl von Institutionen zusammengesetzt wird und die Signale aus der
internationalen Umgebung vielfältig statt einheitlich sind, dann könnten einige
Teile der Institutionen des Staats korrumpiert werden, während andere davon verschont
bleiben.
Die deterministischen
strukturellen Implikationen für das Rauschgiftproblem können als
Herausforderung angenommen werden, wenn die Vereinigten Staaten eine Strategie
verfolgen, mit jenen Institutionen anderer Staaten Vereinbarungen zu treffen,
die mit ihnen die kriminelle Durchdringung ihres Systems bekämpfen. Insoweit
sie die nationalstaatliche Regulierung von Finanz und Handel unterstützen,
besitzen die Vereinigten Staaten als der schwergewichtigste Akteur in der
Weltarena nach Ende des kalten Krieges die Fähigkeit, der internationalen
Struktur Form zu geben und einem verantwortlichen System demokratischer Regimes
und des transnationalen Kapitalismus Stützen einzuziehen.
Folgerungen für die Vereinigten
Staaten
Die Folgerung, die sich aus
einem Interesse von Staaten am Rauschgifthandel aufdrängt, ist die, daß die
Vereinigten Staaten ihr Engagement für die Globalisierung eines
unkontrollierten internationalen Wirtschaftssystems neu zu bewerten haben
werden. Es ist hier nicht nötig festzulegen, von welcher Beschaffenheit diese
Kontrollen zu sein hätten – außer der, daß sich Staatsinstitutionen
international vernetzen müßten – , aber es ist wichtig zu sehen, wie das
Wachstum des unkontrollierten internationalen Finanz- und Handelssystems den Rauschgifthandel
begünstigt.
Es kann nicht bestritten
werden, daß die Vereinigten Staaten die Auswirkungen des Rauschgifthandels zu
spüren bekommen haben durch eine Untergrabung ihrer Gesellschaft wie auch des
Willens, die Ausbreitung des Dorgenmißbrauchs zu bekämpfen. Der Krieg gegen die
Drogen in den Vereinigten Staaten wird nicht eben gewonnen. Nach Aussage des
Direktors des U.S. Office of National Drug Control Policy (ONDCP), konsumierten
im Jahr 1995 12 Millionen Amerikaner verbotene Drogen; und die Toleranz der
Teenager gegenüber Drogengenuß stieg im selben Jahr um 167 Prozent bei denen
der achten Klasse, um 81 Prozent bei denen der zehnten Klasse und um 46 Prozent
bei denen in der zwölften Klasse an. Suchtexperten sagen voraus, daß ungefähr
820.000 Personen dieser neuen Gruppe von Marihuanarauchern schließlich auch
Kokain versuchen werden. Die Kosten von Drogenmißbrauch und -handel sind enorm:
100.000
Tote wurden gezählt, und US$ 300 Milliarden wurden allein in den 1990ern
ausgegeben.
500.000
neue Fälle für Notfallräume treten jedes Jahr auf.
250.000
Amerikaner sitzen gegenwärtig Strafen ab für Übertretungen gegen Drogengesetze.
Drogengebrauch
ist bei wenigstens einem Drittel aller Totschlagsdelikte, tätlicher Angriffe
und Eigentumsdelikte im Spiel.[22]
Vorherrschend geprägt ist
die Führung des Krieges der US-Regierung gegen die Drogen durch den Ansatz von
Angebot und Nachfrage. Eine ganze Schule von Politikanalytikern behauptet, daß
Rauschgifthandel vom Verbrauch angetrieben wird. Manche dieser Analytiker wie
Peter Andreas präsentieren das Verbrauchsmodell als eine Angelegenheit der
öffentlichen Gesundheitsversorgung: »Den Kurs in der Politik gegenüber den
Drogen zu ändern erfordert, das Problem neu zu definieren, als im Grunde eine
Angelegenheit der öffentlichen Gesundheit statt einer der Strafverfolgung und
Gesetzesanwendung und der nationalen Sicherheit,« hat Andreas verlauten lassen. »Mit anderen Worten, der
Gesundheitsminister statt des Justizministers und eines Generals im Ruhestand
sollte unsere Maßnahmen gegen die Drogen leiten.«[23] Obwohl Andreas eine andere
Perspektive anbietet, beruht sein Ansatz gleichwohl immer noch auf dem Modell
von Angebot und Nachfrage.
Doch der Krieg gegen die
Drogen wurde in den 1980ern und 1990ern gerade dadurch gelähmt, daß die für die
Politik Verantwortlichen diesen Nachfrage-/Angebot-Ansatz übernahmen, der die
Rolle globaler Finanzinstitutionen, Regierungen und kulturellen Wandels
ausblendete und außer Acht ließ. Das Angebot-/Nachfrage-Modell zielte auf die
Wirkung auf Erzeuger- und Verbraucherländer und die Handelswege. Aus dieser
Gleichung wurde das Aufkommen eines globalen Finanzsystems, das außerhalb der
Kontrolle eines einzelnen Staats lag, herausgelassen. Dieses Aufstieg eines
globalen finanziellen Systems, verbunden mit der Liberalisierung des
internationalem Handels, bedeutete, daß Staaten nicht nur die Kontrolle über
den Handel, sondern auch über ihre Kapitalmärkte verloren.
Mittlerweile hat es eine
Gewichtsverlagerung von der Angebots- zur Nachfrageseite hin im Krieg gegen die
Drogen gegeben. Die Prävention und Verminderung der Drogensucht ist zum
Hauptziel der US-Regierung geworden. Dabei richtete sich die Aufmerksamkeit auf
die 20 Prozent der Drogenkonsumenten, die zum harten Kern der Nutzer gezählt
werden, die allerdings 80 Prozent des gesamten Straßenverkaufs an Kokain
ausmachen; keine Mittel wurden dagegen für Präventivprogramme für
Gelegenheitsnutzer und Nichtnutzer bereitgestellt. Seit 1995 hat die nationale
Drogenüberwachungsstrategie des Weißen Hauses als ihre oberste Priorität die
Unterstützung für Drogenbehandlung identifiziert, »so daß jene, die Behandlung
brauchen, sie erhalten können«.[24] Für diese Priorität stieg
die Mittelanforderung wie folgt: Haushaltsjahr 95 ($ 2,647 Milliarden),
Haushaltsjahr 96 ($ 2,827 Milliarden) und Haushaltsjahr 97 ($ 2,908
Milliarden).
Diese Prioritätenänderung
zur Reduzierung der Nachfrage über die Behandlung macht zwingend erforderlich –
wenn sie Erfolg haben soll – , daß aus den Behandlungszenten mehr Nutzer des
harten Kerns herauskommen als Gelegenheitskonsumenten, die zu harten Nutzern
werden, in sie hineingelangen. Doch hat die Behandlung, die für Süchtige harte
Drogen zur Verfügung stellt, tatsächlich eine Zunahme der in den Behandlungszentren Verweilenden nach sich gezogen.
Die Erfahrung in den USA legt den Schluß nahe, daß die Verlagerung von mehr
Mitteln für harte Drogennutzer als für Gelegenheitsnutzer die Zahl der
Gelegenheitsnutzer ansteigen läßt. Wenn dieses Verhältnis nicht verstanden
wird, führt die gegenwärtige Behandlungspraxis der Vereinigten Staaten sowohl
im Inland als auch in ihrer Anwendung im Ausland zu einer Zunahme sowohl des
Dauer- als auch des Gelegenheitsgebrauchs von Drogen.
Legitime Versuche, die
Nachfrage zu reduzieren und die Opfer des Drogenmißbrauchs zu behandeln, waren
stets verwundbar gegenüber dem Einfluß derer, die eine Liberalisierung des
Drogengebrauchs unter dem Slogan der »Schadensbegrenzung« herbeiführen wollen.
Das Endziel jener, welche die Strategie der Nachfrageverringerung ausbeuten,
ist leicht als Liberalisierung und danach Regulierung des Rauschgifts
auszumachen.
Fünf Annahmen, die dem Krieg gegen
Drogen zugrundeliegen
Dieses Buch stellt die
Prämissen der fünf gegenwärtig gültigen Annahmen, aufgrund derer der Krieg
gegen die Drogen geführt wird, in Frage. Die erste Annahme liefert das Modell
für das Verständnis des Problems; mit ihr wird das Problem als lediglich
ökonomisch und eine Angelegenheit von Angebot und Nachfrage hingestellt. Im
Rahmen dieses Modells gibt es eine Debatte zwischen jenen, welche die Angebots-
und jenen, welche die Nachfrageseite hervorheben. Der Blick auf die
Angebotsseite zielt darauf ab, den Drogenfluß zu den Konsumenten zu
unterbinden. Dabei werden alle Stufen des Prozesses zum Ziel genommen: Anbau,
Verarbeitung, Transit, Großhandelsvertrieb und Straßenverkäufe.
Auf Grundlage von Befunden
der US-Regierung, daß zweihundert Hektar Kokapflanzen eine metrische Tonne
Kokain im Einzelhandel erbringen, wurden Kampagnen zur Erntevernichtung zu
einem maßgeblichen Mittel der Strategie des »Halt dem Nachschub« in den
1980ern. Aber die Setzung des Schwerpunkts auf das Angebot befaßt sich auch mit
den Produktions- und Vertriebsnetzen. Im Ergebnis sind heute eine große Zahl
von Regierungsbehörden daran beteiligt, den Fluß der Drogen zu den Konsumenten
zu unterbrechen. Dieser Komplex von Behörden umfaßt Außenministerium,
Verteidigungs-, Finanz-und Landwirtschaftsministerium; die CIA; die
Rauschgiftverfolgungsbehörde (DEA); das FBI; die US-Zollbehörde; die
US-Forstbehörde; den Grenzschutz; die Liegenschaftsverwaltung; das Büro für
Alkohol, Tabak und Schußwaffen (ATF); die Küstenwache; die Nationalgarde;
weiterhin sind vier größere Nachrichtendienstzentren beteiligt: die der DEA in
El Paso, Texas; die der CIA in Langley, Virginia; die des FBI in Johnstown,
Pennsylvania; und die des Finanzministeriums in Arlington, Virginia.[25]
Die Schwerpunktsetzung auf
die Angebotsseite versuchte, den Rückfluß von Profiten zu den Kartellchefs zu
unterbrechen. Die Anstrengung, die Geldwäscheseite des Geschäfts zu
unterbrechen, fällt in erster Linie der Abteilung für die Verfolgung von
Finanzdelikten im Finanzministeriums (FinCEN) zu. Von der Federal Reserve
werden jeden Monat die Daten ihres Cash Flows an FinCEN gemeldet, was dem
FinCEN dabei hilft, Bereiche für Nachforschungen zu identifizieren. Ein
Hauptwerkzeug dabei ist für die Federal Reserve der Bericht über
Bartransaktionen (CTR). Seit 1970 sind alle Banken verpflichtet, alle
Bargeschäfte zu melden, die US$ 10.000 übersteigen,.
Die Setzung des Schwerpunkts
auf die Angebotsseite ist einem andauerndem Angriff von jenen ausgesetzt, die
behaupten, daß der Krieg gegen die Drogen fehlgeschlagen ist. Dieses Argument
kommt von Individuen, die eine Anzahl von Gruppen vertreten, für die von der
Legalisierung des Rauschgifts bis zur Behandlung der Frage als einer der
Gesundheitsversorgung anderes auf der Tagesordnung steht. Diese Gruppen
behaupten, daß Behandlung eine kostenwirksamere Art sei, den Verbrauch zu
verringern. Sie machen sich für eine Abkehr vom Strafparadigma zu einem
Paradigma von Behandlung und Prävention stark.[26] Sie behaupten, daß es drei
fatale Fehler im Krieg gegen die Drogen auf der Angebotsseite gebe. Der erste
Fehler sei, daß Illegalität den Preis für Drogen erhöht und es dadurch für
kriminelle Banden rentabler und daher attraktiver wird. Dies ist das sogenannte
Gewinnparadoxon. Der zweite Fehler sei, daß Versuche, die Erzeuger
auszuschalten, tatsächlich nur die Produktion in neue Bereiche treibt: die
»Hydra-Wirkung«. Und der dritte Fehler sei das Prinzip »Abschreckung durch
Strafe«. Jene, die in der Strategie gegen den Nachschub einen Fehlschlag sehen,
verweisen auf die Statistik, aus der man ersehen kann, daß beispielsweise mehr
als zwei Drittel der festgenommenen Heroinabhängigen sofort den Drogengenuß und
kriminelles Verhalten wiederaufnehmen, sobald sie aus der Haft entlassen sind.
Diese Kritiker rufen zu einer Verschiebung zu einem Paradigma der öffentlichen
Gesundheitsversorgung auf, von der sie behaupten, daß sie eine »Heilung ohne
Schaden« fördern würde.[27] Dieses Paradigma einer
Verlagerung in die öffentliche Gesundheitsversorgung ist jedoch nur eine
weitere Version des übergreifenden Paradigmas von Angebot und Nachfrage.
Dementsprechend behaupten deren Fürsprecher auch, daß der Drogenhandel ein von
den »Marktgesetzen angetriebenes Geschäft« sei.[28]
Die zweite Annahme, auf die
sich der gegenwärtig andauernde Krieg gegen das Rauschgift stützt, geht dahin,
daß ethnische oder nationale Banden die Hauptschuldigen sind. Das uns dabei ständig
vorgehaltene Bild ist das von organisierten kriminellen Elementen – wie der
russischen und sizilianischen Mafias, der chinesischen Triaden und den
japanischen Yakuza – von denen Regierungen, Bevölkerungen und
Finanzinstitutionen schikaniert werden. Diese Annahme könnte dann einen Sinn
ergeben, wenn das Problem ausschließlich auf eine kriminelle Wirtschaftsgruppe
zurückzuführen wäre, welche die Produktion und den Vertrieb von Rauschgiften
betreibt, um daraus Profit zu ziehen. Ein tiefergehendes Verständnis davon, wie
die politische und ökonomische Struktur des Neoliberalismus die kriminelle
Betätigung erleichtert und schützt, müßte dagegen eine Neuüberprüfung der
Annahme erzwingen, daß allein kriminelle Banden die Verursacher des
Drogenproblems sind.
Die dritte Annahme, auf
Grund derer der Krieg gegen die Drogen geführt worden ist, unterstellt, daß das
finanzielle System von kriminellen Banden wegen deren massiver ökonomischer
Fähigkeit schikaniert wird. Aus dieser Sicht heraus sind die Banken und Finanzsysteme
verschiedener Regierungen im Grunde genommen dagegen, Kriminellen das Waschen
ihrer Profite und deren Investition in legitime Geschäfte zu erlauben, glauben
freilich aber auch, daß es unter dem globalisierten Finanzsystem zu schwierig
ist, solche Aktivitäten zu unterbinden. Diese Annahme behauptet, daß die
finanziellen Institutionen lediglich Opfer und nicht Teil des Problems sind.
Wenn andererseits jedoch das
Modell für das Herangehen an das Problem des Rauschgifthandels an der
Globalisierung des neoliberalen Wirtschaftssystems und der unregulierte
Betätigung transnationaler Kapitalisten nicht rüttelt, dann sind wohl größere
Teile der Akteure im nationalen und internationalen finanziellen Systems nicht
etwa Opfer, sondern aktive Teilnehmer der Geldwäschetransaktionen des
Rauschgifthandels.[29]
Die vierte Annahme im
gegenwärtigen Krieg gegen die Drogen läuft darauf hinaus, daß Regierungen sich
im Grunde genommen verpflichtet haben, den Rauschgifthandel zu bekämpfen, aber
in den meisten Fällen der Korruption und Einschüchterung durch die kriminellen
Kartelle zum Opfer fallen. Obwohl klar ist, daß diese Elemente sich in vielen
Regierungen eingenistet haben, muß das Problem doch als typisch geprägt von den
strukturellen Anordnungen des internationalen Systems im allgemeinen und als
eines der neoliberalen Ordnung nach dem kalten Krieg im besonderen gesehen
werden. Regierungen können durchaus ein grundlegendes Interesse am Schutz des
Drogenhandels nicht nur aus ökonomischen Gründe wie Devisenerwerb und Bedienung
nationaler Schulden haben, sondern auch aus politischen Motiven – um eine
größere Kluft zwischen den entwickelteren und weniger entwickelten Ländern zum
Beispiel zu schließen und/oder eine rivalisierende Macht zu schwächen.
Ein gründliches Durchdenken
dieser Perspektive erweist die Mängel der gängigen Definition des Krieges. Eine
weitergefaßte Definition von »Krieg« würde Konfliktformen einschließen, in dem
die Streitkräfte eines Landes nicht unbedingt direkt gegen jene einer anderen
Nation zum Einsatz gebracht werden. Diese breitere Definition würde weiterhin
Revisionen des politischen Denkens über den Prozeß der Demokratisierung und die
Theorie des »demokratischen Friedens« zwingend machen, nach der demokratische
Staaten keine anderen demokratischen Staaten bekämpfen. Dieses Neuüberdenken
würde zwingend die Anfälligkeiten von Demokratisierungs- und
Liberalisierungsprozessen und die Notwendigkeit aufzeigen, daß unkorrumpierte
Einrichtungen von Staaten miteinander kooperieren müssen, um den inneren Krieg
zu vermeiden und Konflikt zwischen Staaten zu verringern.
Die letzte Annahme im
gegenwärtigen Krieg gegen Drogen ist die, daß gewichtige gesellschaftliche
Kräfte in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern sich dem Rauschgiftkonsum
entgegenstellen und bestrebt sind, die Strafbarkeit von Produktion und Vertrieb
süchtigmachender Substanzen aufrechtzuerhalten. Dagegen haben aber gewichtige
gesellschaftliche und institutionelle Trends in den Vereinigten Staaten zu
einer Entlegitimierung von Werten und Überzeugungen geführt, die einem
Drogenkonsum au fonds entgegenstehen. Denn tatsächlich haben diese Trends ein
Konsumverhalten und »lifestyles« gefördert, die dem Drogengebrauch förderlich
sind. Auf diese Art wird die Gesellschaft selbst ein Faktor der Ermunterung zum
Drogenkonsum.
Wenn nun die konventionellen
Annahmen unzulänglich sind, sind alternative Ansätze und Annahmen gefordert,
soll die Anstrengung des Kriegs gegen die Drogen erfolgreich sein. Hinzukommt,
daß das Erklärungsmodell für den Krieg gegen die Drogen zwingend die Deutung
und Bestimmung der internationalen politischen und ökonomischen Systeme nach
dem kalten Krieg in Rechnung stellen muß. Der Krieg gegen die Drogen wird
solange nicht gewonnen werden, bis nicht angemessene Voraussetzungen an die Stelle
der bisherigen getreten sind.
[1] Jessica T. Mathews »Machtverlagerung«, Foreign Affairs, Januar/Februar 1997, 50-66.
[2] Analytiker der ökonomischen Macht des George Soros behaupten, daß sie »weniger durch finanziellem Scharfsinn als durch Verbindungen zu Europas Superreichen zustandgekommen ist, von denen viele durch seine Investmentfonds noch reicher geworden sind. Sie sagen, daß er seine größten Triumphe Quellen innerhalb eines geschlossenen Kreises verdankte«. Toni Marshall, »Rätselhafter Milliardär«, Washington Times, 9. November 1997, A12.
»Hedge Funds« waren 1997 prominent vertreten unter den größeren Spekulanten gegen die asiatische Währungen. Im Oktober 1998 dagegen führte ein gemeinsames Vorgehen Chinas, Japans und der Vereinigten Staaten zu enormen Verlusten für die Hedge Funds, die auf eine weitere Abwertung des Yen gesetzte hatten. Der Tiger Fund des Hedge Fund Managers Julian Robertson gab in seinem Bericht für 1998 Verluste von US$ 17 Milliarden an und verlor am 7. Oktober 1998 US$ 2 Milliarden.
Einige der Offshore-Banken, die als prominente
Teilnehmer aus dem unregulierten Finanzsystem Vorteil ziehen, sind Barclays
Offshore Banking und HSBC Private Banking, die von der Insel Jersey aus
operieren; Caymanx Trust Company, das seinen Firmensitz auf der Insel Man hat;
die Royal Bank of Canada, die von Trinidad und Tobago aus Geschäfte macht;
Eurofed Bank Limited auf Antigua; und die Bank von Liechtenstein, die der
Familienstiftung des Fürsten Hans-Adam II gehört. Fürst Hans-Adam hat sich für
die Liberalisierung von Drogen ausgesprochen, »sogar von harten Drogen«.
»Liechtenstein«, Internationaler Sonderbericht vorgelegt von der Werbeabteilung
der Washington Times, 17. August
1998, 6.
[3] Nicholas
Roditi, der Fundmanager, erhielt US$ 125 Millionen 1996 Gehalt von seinen
Geldgebern. Laura Jereski und Michael R. Sesit, »Soros` Quota Fund ist
Auftragswaffe«, Wall Street Journal,
16. September 1997, C25.
[4] Einige andere Definitionen von Korruption sind: »die illegitime
Verwendung öffentlicher Macht für privaten Gewinn«; »jeder illegale oder
unmoralische Gebrauch der Regierungstätigkeit als Ergebnis von Gegenleistungen
zu persönlichem oder politischen Vorteil«; und »der willkürliche Gebrauch der
Macht«. Diese verschiedenen Definitionen werden angeführt von Stephen D.
Morris, Corruption and Politics in Contemporary
Mexiko (Tuscaloosa: University of Alabama Press, 1991), 2
[5]. Ibid.
[6]. Ibid ., 5-20
[7]. Ein erster Anfang zur Beschreibung dieses Phänomens findet sich bei
Claire H. Sterling, Thieves` World (New York: Simon &
Schuster, 1994).
[8]. Beatriz Johnston Hernandez,
»Del expediente de un juicio en Texas: Como subprocurador, Coello Trejo recibio
›mas de un millón de dólares‹ de Garcia Abrego«, Proceso 934 (26. September
1994), 19
[9] Typische Studien über die Zunahme des ethnischen Konflikts sind Gidon
Gottliebs Nation against
State (New York: Council of Foreign
Relations Press, 1993) und Michael E. Braun, ed ., Ethnic Conflict and international Security (Princeton: Princeton
University Press, 1993). Die Hauptstudie in bezug auf den Zusammenprall der
Zivilisationen ist Samuel Huntington, The Clash of Civilisations? (New York:
Foreign Affairs Reader, 1993). Für Abwandlungen dieses Themas, wo der Kampf als
einer zwischen Modernität und postmoderner Gesellschaft wahrgenommen wird,
siehe James Kurth, »The Real Clash«, National Interest 37 (Fall
1994), 3-15.
[10] Francis Fukuyama, »The End of
History«, National
Interest 16, (Sommer 1989.) Underfüttert wird Fukuyamas Optimismus von seiner
Hegelianischen Überzeugung, daß menschliche Natur selbstgeschaffen und die
Entfaltung eines langfristigen Prozesses ist. Die menschliche Natur, sagt er,
hat sich in den letzten Jahrtausenden geändert und »unser modernes
demokratisch-egalitäres Bewußtsein ist in einem gewissen Sinne ein andauernder
Erwerb, ebenso wie ein Teil unserer grundlegenden ›Natur‹ wie das Bedürfnis
nach Schlaf oder unsere Furcht vor dem Tod«. Francis Fukuyama, »A
Reply to my Critics«, National
Interest 18 (Winter 1989), 28.
[11].Philip G. Cerny, »Globalization and The Changing Logic of Collective Action«, International
Organisation 49, Nr 4 (Herbst 1995.)
[12] Douglas W. Payne schreibt, »Keine Maßnahme gegen Geldwäsche kann
Erfolg haben, solange das globale Finanzsystem, besonders die sicheren
Offshore-Häfen, das massive Einströmen schmutzigem Geldes weiterhin geradezu
willkommen heißt.« Douglas W. Payne, »Drugs and Dollars: A Global Challenge«, Freedom Review 27, Nr 4,
julierhabene 1996), 99
[13]. David Held, »Demokracy, the Nation-State and the Global System«, in David Held, ed ., Political Theory Today (Stanford, Calif: Stanford
University Press, 1991), 199, 203
[14] Cerny, »Globalization«.
[15] John G. Ruggie, »International Regimes, Transactions and Change: Embedded Liberalism in the Postwar Economic Order«, International Organization 36, Nr 2 (1982
Frühjahr), 195-231.
[16] Die ursprünglich 10 Länder waren die Vereinigten
Staaten, Kanada, Japan, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien,
das Vereinigte Königreich, Schweden, die Niederlande und das Belgien. Später schloß
sich die Schweiz der Gruppe an, aber der Name blieb.
[17] Ethan B. Kapstein, »Shockproof: The End of the financial Crisis«, Foreign Affairs,
Januar/Februar 1996, 3.
[18] Theda Skocpol, »Social Revolutions in the Modern World« (New York: Cambridge University
Press, 1994), 112.
[19] Kenneth N. Waltz, »Theory of International Politics« (New York: McGraw Hill,
1979), 97.
[20] Eine gängige Beschreibung des
Gefangenendilemmas lautet so: »Zwei Verdächtige werden in Haft genommen und
voneinander getrennt. Der Staatsanwalt ist sich sicher, daß sie eines
bestimmten Verbrechens schuldig sind, aber er hat keine adäquaten Beweise, um
sie vor Gericht zu verurteilen. Er weist jeden Gefangenen darauf hin, daß jeder
zwei Alternativen hat: das Verbrechen zu gestehen, von dem die Polizei sicher
ist, daß sie es begangen haben, oder nicht zu gestehen. Wenn beide nicht
gestehen, stellt der Staatsanwalt fest, daß er sie wegen eines geringfügigeren
Vergehens drankriegt wie leichter Diebstahl und illegaler Waffenbesitz
und beide eine geringfügige
Strafe erhalten; wenn sie beide gestehen, werden sie strafrechtlich verfolgt,
aber er wird empfehlen, daß sie nicht den höchstmöglichen Strafsatz erhalten;
aber, wenn einer gesteht und der andere nicht, dann erhält der Geständige
nachsichtige Behandlung für Zusammenarbeit, während der Letztere das volle
Strafmaß abbekommt. Das Problem für jeden Gefangenen ist nun, ob er gestehen
soll oder nicht.« Duncan R. Luce und Haward Raiffa, Games and
Decisions (New York:
Wiley, 1957), 95.
[21] Barry McCaffrey, Direktor des ONDCP, »Strengthening International Drug
Control Cooperation«, In
Miami, Florida, am 25. April 1996 gehaltene Rede.
[22] Peter Andreas, »US-Mexiko: Open Markets, Closed Borders«, Foreign Policy103 (der
Sommer 1996), 66.
[23] Public Law 100-690, 102 Stat 4 189.
[24] Geschätzte siebenundfünfzig Bundesabteilungen und
-behörden sind in irgendeiner Weise am
Krieg gegen die Drogen beteiligt.
[25] Eva Bertram, Morris Blackman, Kenneth Sharpe und Peter Andreas, Drug War Policitcs (Berkeley und Los Angeles:
University of California Press, 1996).
[26] Ibid ., 257.
[27] Ibid ., 12.
[28] Die Vereinigten Staaten gelangten offiziell zu dieser Position am 18. Mai 1998, als eine Grand Jury des Bundesgerichts in Los Angeles drei mexikanische Banken und sechsundzwanzig mexikanische Bankiers anklagte, Millionen von Dollars an Drogenprofiten gewaschen zu haben. Die Anklage bedeutetet, daß zum ersten Mal mexikanischen Banken als Institutionen vorgeworfen wurde, Drogenschiebern bewußt zu helfen.